Mann spürt seine Roboterhand
Dem Neurowissenschaftler Robert Gaunt von der University of Pittsburgh und seinem Team ist es gelungen, im Rahmen eines von der DARPA geförderten Projekts, einem 28-Jährigen, der vom Hals abwärts gelähmt ist und seinen Körper nicht mehr fühlt, das Körpergefühl seiner rechten Hand spüren zu lassen, indem sie ihm einen Chip ins Gehirn implantierten und diesen mit einem Roboterarm koppelten.
Viele querschnittgelähmte Patienten, wie der 28-Jährigen Nathan Copeland, der nach einem schweren Verkehrsunfall seit 10 Jahren vom Hals abwärts gelähmt ist, hoffen darauf, eines Tages eine Armprothese per Gedankenkraft bewegen zu können. Dies gelang Forschern bereits, indem sie Patienten einen Chip in einem bestimmten Bereich ihres Gehirns implantierten, dem "Motorcortex", einem Hirnbereich, der Muskelbewegungen steuert.
An dem Chip sind mehrere dünne Drähte (Elektroden) angeschlossen, die aus dem Kopf des Patienten herausragen. Wenn der Patient nun seinen Arm bewegen oder mit seiner Hand etwas greifen möchte, dann werden im Motorcortex seines Gehirns die entsprechenden Nervenimpulse erzeugt, die normalerweise über Nervenbahnen zu den Muskeln des Arms oder der Hand weitergeleitet werden und dann dafür sorgen, dass die jeweilige Bewegung ausgeführt wird. Sind die Nervenbahnen jedoch unterbrochen, etwa durch eine Querschnittslähmung im Halswirbelbereich, dann werden im Motorcortex zwar immer noch die entsprechenden Nervenimpulse erzeugt, sobald der Patient seinen Arm oder seine Hand bewegen will, die Nervenimpulse erreichen aber nicht mehr die Muskeln und die Bewegung kann nicht ausgeführt werden.
Stattdessen fließen die im Motorcortex erzeugten Nervenimpulse nun in Form geringer elektrischer Ströme durch die Elektroden, die aus dem Kopf des Patienten herausragen, die wiederum an einen Roboterarm angeschlossen sind, der die Bewegungen dann ausführt. Der Patient kann bei dieser einfachen, ersten Methode den Roboterarm jedoch nicht spüren, denn es handelt sich ja schließlich nur um eine künstliche Konstruktion aus Metall oder Plastik und nicht um lebendes Gewebe mit einer Hautoberfläche und einem Tastsinn wie bei einem echten Arm. Damit der Patient den Roboterarm auch spüren kann, müsste dieser auch über einen zumindest einfachen Tastsinn, bzw. einige Tastsensoren verfügen, die die Berührungssignale dann wieder zurück ins Gehirn leiten. Dies ist den Forschern nun gelungen.
Werden die Finger oder die Hand berührt, dann werden diese Berührungsreize normalerweise über Nervenbahnen zum Rückenmark und von dort bis ins Gehirn weitergeleitet, genauer gesagt in einen bestimmten Bereich des Gehirns, dem sogenannten "somatosensorischen Cortex". Ist die "Reizleitung" zwischen der Hand und dem somatosensorischen Cortex jedoch unterbrochen, etwa durch eine Querschnittslähmung im Halswirbelbereich, dann kann der Patient seine Arme, Hände und Finger nicht mehr spüren.
Würde man nun einen dünnen Draht, eine "Elektrode", in den somatosensorischen Cortex einführen und zwar speziell in den Bereich des somatosensorischen Cortex, der beispielsweise für den rechten Zeigefinger zuständig ist und dann einen geringen Stromimpuls durch die Elektrode senden, dann hätte der Patient das Gefühl, jemand würde seinen rechten Zeigefinger berühren. Dies funktioniert auch für alle anderen Finger oder insgesamt für die Hautoberflächen der Hände und zwar nicht nur für Berührungen, sondern auch für das Empfinden von Temperaturen, Druck oder Vibrationen.
Um für alle Finger der Hand gleich ein ganzes Bündel an Elektroden in den somatosensorischen Cortex einzuführen, werden die Elektroden mit einem Chip verbunden, der dem Patienten dann in seinen somatosensorischen Cortex implantiert wird. Die vielen einzelnen Elektroden, die nun aus dem Kopf des Patienten herausragen, können nun mit Tastsensoren an den unterschiedlichen Stellen der Roboterhand verbunden werden und die bei Berührung einen geringen elektrischen Strom einschalten, der dann über die jeweilige Elektrode die entsprechende Stelle im somatosensorischen Cortex des Patienten reizt, sodass der die Illusion einer Berührung spürt, die sich von einer echten Berührung nicht unterscheiden lässt.
Während bei der ersten, einfachen Methode, einen Roboterarm zu bewegen ohne ihn jedoch spüren zu können, Signale über Elektroden aus dem "Motorcortex" herausgeleitet werden, müssen bei der zweiten, erweiterten Methode, den Roboterarm zu bewegen und dort auch Berührungen zu spüren, zusätzlich auch noch Signale über Elektroden in den "somatosensorischen Cortex" hineingeleitet werden. Aus dem Kopf des Patienten ragen nun zwei Bündel von Elektroden heraus. Zum einen für die Ausgangssignale zur Bewegungssteuerung, zum anderen für die Eingangssignale zum Spüren von Berührungen.
Für querschnittgelähmte Patienten, wie dem 28-Jährigen Nathan Copeland, ist es ein großer Vorteil, wenn sie einen Roboterarm, den sie bewegen können, auch fühlen. So lassen sich wesentlich präzisere Bewegungen ausführen, die dem Patienten eine größere Unabhängigkeit bieten, etwa wenn sie auch einmal selbständig Nahrung zu sich nehmen möchten, ohne ständig auf Pflegekräfte angewiesen sein zu müssen. Statt eines Roboterarms könnten so vielleicht auch Armprothesen gesteuert werden, für armamputierte Patienten.
Ein weiterer großer Fortschritt in der Medizin wäre es, wenn Patienten, die wie Nathan Copeland ihren zwar gelähmten aber noch vorhandenen eigen Arm besitzen, diesen wieder bewegen und spüren könnten, ohne überhaupt auf einen Roboterarm angewiesen zu sein, etwa wenn die Unterbrechung des Rückenmarks direkt überbrückt werden könnte. Leider ist dies noch nicht möglich. Die neuesten Erfolge des Neurowissenschaftlers Robert Gaunt und seines Teams liefern jedoch wichtige Erkenntnisse hin zu diesem Ziel.
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