Web 4.0 - Versuch einer Definition
Befinden wir uns schon längst im Zeitalter des "Web 4.0" und keiner hat es gemerkt? Oder traut es sich nur niemand zu sagen? Kann man "Web 4.0" überhaupt definieren? Eine Definition ist längst überfällig, denn das heutige World Wide Web unterscheidet sich bereits deutlich vom "Web 2.0" in seiner Anfangszeit und hat das Entwicklungsstadium des aus dem Jahre 2006 definierten "Web 3.0" längst überschritten.
Teil 1: Vom Web 3.0 zur Industrie 4.0
Teil 2: Web 4.0 - Versuch einer Definition
Unternehmen, die sich in der "Industrie 4.0" eine enorme Effizienzsteigerung ihrer Produktion versprechen, kritisieren häufig einen zu langsamen Ausbau der dafür notwendigen digitalen Infrastruktur, besonders beim Breitbandausbau. Sie bemängeln, dass Deutschland bei der Digitalisierung im Vergleich zu anderen Industriestaaten zu weit hinten liegt und die Gefahr besteht, von diesen abgehängt zu werden und neue Entwicklungen zu verpassen.
Diese Aussagen führten in der öffentlichen Diskussion wiederum zu teilweise sonderbaren Begriffsvermischungen, etwa: "Im Industriesektor hat bereits das Zeitalter der Industrie 4.0 begonnen und im Internet befinden wir uns immer noch im Web 2.0, während sich das Web 3.0 noch in der Entwicklung befindet und von einem zukünftigen Web 4.0 noch nicht einmal eine Vorstellung besteht, um was es sich dabei handeln könnte."
Um die Frage zu beantworten, wo denn nun das "Web 4.0" bleibt und was das überhaupt ist, sollte man sich jedoch zunächst einmal bewusst machen, dass das "World Wide Web" (WWW), auch in seiner zweiten Version, dem "Web 2.0", nicht mit dem Internet gleichzusetzen, sondern nur ein Teil davon ist. Weitere Bestandteile des Internets sind beispielsweise das Senden und Empfangen von Emails oder eben das "Internet der Dinge". Dennoch wurden die Grenzen zwischen den einzelnen Bestandteilen des Internets fließender und neue Begriffe bekommen mittlerweile ihre Daseinsberechtigung.
Wenn etwa eine Email nicht über ein klassisches Email-Programm versendet wird, sondern über das Kontaktformular einer Webseite, dann handelt es sich zwar rein technisch gesehen immer noch um eine Email. Der Nutzer empfindet aber nicht mehr diese strikte Trennung zwischen Email und Web. Das gleiche gilt bei so genannten "Webmail-Diensten", die es dem Nutzer ermöglichen, Emails in einem Webbrowser zu empfangen, zu versenden und zu verwalten, anstatt mit einem separaten Email-Programm.
In einigen Fällen ist es daher heutzutage durchaus üblich und zulässig, jedenfalls im Sinne einer breiten öffentlichen Akzeptanz, die Begriffe Internet und Web gleichzusetzen. Aber was bedeutet das nun im Zusammenhang mit "Industrie 4.0"? Den Teilbereich des Internets, der die Internet-ähnliche Struktur der "Industrie 4.0" abbildet, nun als "Internet 4.0" zu bezeichnen, wäre falsch, genauso dessen Web-Anteil, also beispielsweise Smartphone-Apps der "Industrie 4.0" für Kunden, als "Web 4.0" zu bezeichnen. Beides sind eben nur Teilbereiche des Internets oder des Web. Sicher ist allerdings, dass dieser spezielle, hier genannte Web-Anteil wiederum ein Bestandteil und Teilbereich eines künftigen "Web 4.0" sein wird. Ein "Web 4.0", das diesen Namen auch verdient, besteht also auf jeden Fall aus mehreren "Bestandteilen".
Einen weiteren Bestandteil eines "Web 4.0" könnte man als "soziologischen Faktor" bezeichnen, der sich etwa in dem Wunsch nach einer Namensangleichung in Anlehnung an die vielen neuen "4.0"-Begriffe äußert, wie etwa "Industrie 4.0", "Medizin 4.0", "Gesellschaft 4.0" und viele andere. Als zusätzliche Begründung einer solchen Namensangleichung könnten die heutzutage üblich gewordenen Versionssprünge bei Software herangezogen werden. Doch wer hegt diesen Wunsch nach einer Namensangleichung wirklich? Sind es nur die Industrie und Stimmen aus der Politik oder ist es auch der Wunsch einer breiten Öffentlichkeit?
Als die Firma Microsoft sich für einen Versionssprung bei der Bezeichnung ihres neuen Betriebssystems von "Windows 8.1" auf "Windows 10" entschied, fragten sich viele ihrer Kunden verwundert, wo denn die "Version 9" geblieben war. Es war mehr der Wunsch einer Firma nach einer neuen Bezeichnung und viele Kunden fühlten sich irgendwie bevormundet, denn sie hatten ja auch keine Wahl, wenn sie weiterhin bei diesem Betriebssystem bleiben wollten. Bei der Bezeichnung "Web 3.0" verhielt es sich ähnlich. Wenn Forschungseinrichtungen und die Industrie unter dieser Bezeichnung an neuen Algorithmen für effizientere Suchmaschienen arbeiteten, war das für die normalen User zu abstrakt und unverständlich, um diesen neuen Begriff einfach so in ihr Alltagsleben zu integrieren.
Da ist die Angst der Industrie und aus der Politik verständlich, ein ähnliches Desaster bei der Verwendung eines neuen Begriffs "Web 4.0" zu erleben und als bevormundend empfunden zu werden. Dabei wird jedoch zu sehr verkannt, dass die meisten Menschen heutzutage das Web nicht als vergleichbar mit der Software einer Firma betrachten oder als verlängerten Arm von Politik und Industrie, sondern eher als etwas eigenes, von dem sie sich als ein Teil empfinden. So empfinden auch viele Nutzer des Web die Zurückhaltung seitens der Politik und Industrie bei der Verwendung dieses Begriffs seinerseits als Bevormundung.
Der Wunsch und eine zu erwartende Akzeptanz bei der Verwendung des Begriffs "Web 4.0", was eine Namensangleichung in Anlehnung an die neuen "4.0"-Begrifflichkeiten betrifft, auch unter Berücksichtigung einer Versionssprung-Bezeichnung, ist also durchaus realistisch und sollte als eigenständiger Teilaspekt eines "Web 4.0" nicht unterschätzt werden.
Allein die beiden bisher genannten Bestandteile eines "Web 4.0", zum einen der "Industrie 4.0 Web-Anteil" und zum anderen der oben beschriebene "soziologische Faktor", reichen nicht aus, um diesen neuen Begriff zu rechtfertigen. Und da kommt ein weiterer Bestandteil ins Spiel, der im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz und mit Zukunftstechnologien steht, die bisher ausschließlich der Science-Fiction zugeordnet wurden.
Nun mag man sich zugleich an die Kritikerstimmen aus den Zeiten des "Web 3.0" erinnern, die bemängelten, dass es zu früh sei, von einem "Web 3.0" zu sprechen, solange sich dieses noch in der Entwicklungsphase befand, und wenn hier von Zukunftstechnologien die Rede ist, könnte diese Argumentation doch auch wieder aktuell werden? Beim "Web 4.0" ist die Entwicklungsphase jedoch selbst Teil der neuen Technologie, da sich das Nutzerverhalten im "Web 4.0" gegenüber dem "Web 2.0" nicht nur einmalig grundlegend geändert hat, wie es beim Übergang von der ersten zur zeiten Version des Web der Fall war, also vom Konsumenten hin zum Produzenten von Inhalten, sondern sich in einem ständigen Entwicklungs- und somit auch Veränderungsprozess befindet.
Ein typisches Merkmal hierfür, ist die sich gegenseitige Beeinflussung von Webtechnologien und ihren Anwendern, die im Gegensatz zu den Entwicklungen vergangener Jahre, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, aber auch etwa im Bereich des Datenschutzes, heutzutage wesentlich bewusster wahrgenommen wird, anstatt eher unterbewusst und somit auch zu deutlicheren Verhaltensänderungen führt, was wiederum einen viel stärkeren Einfluss auf das Angebot der Telemediendienste hat.
Dieser sich gegenseitig verstärkende Effekt, und vor allem bewusst wahrgenommene Prozess, aus dem Zusammenspiel von "Zukunftstechnologien", die mehr aus nostalgischen Gründen immer noch als solche bezeichnet werden, obwohl es sich hierbei in Wirklichkeit um "Gegenwartstechnologien" handelt und einem sich ständig ändernden Nutzerverhalten, ist damit auch ein dritter Bestandteil des "Web 4.0", im Gegensatz zu einer als "abstrakt" empfundenen Hintergrundtechnologie eines "Web 3.0".
Wenn "Zukunftstechnologien" des World Wide Web allerdings ausschließlich als "Gegenwartstechnologien" empfunden werden, würde das auch gleichzeitig Stillstand bedeuten und einem ständigen Veränderungsprozess entgegen stehen. Daher braucht gerade ein "Web 4.0", neben "echten" Zukunftstechnologien auch eine "Zukunftsvision", die als vierter Bestandteil eines "Web 4.0" erforderlich ist.
Hierbei kann es sich nur um neue Technologien und Anwendungen für eine neue Art der "Online-Kommunikation auf emotionaler Ebene" handeln. Die Online-Kommunikation ist dann auch auf emotionaler Ebene möglich und nicht mehr auf die Mitteilung eines emotionalen Zustandes mit Hilfe von "Emojis" oder "Smileys" begrenzt, sondern geschieht mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz, die den Nutzern als eine Art "Vermittler" erscheint und den Nutzern wesentlich umfangreichere Darstellungen emotionaler Zustände zur Auswahl anbietet, als einfache "Emojis", die der Nutzer dann für seine emotionalen Mitteilungen verwenden kann.
Die Auswahl trifft die KI dann mit Hilfe von Emotionserkennung und den Methoden des "Deep-Learning" für ein "Profiling" der Kommunikationspartner. Lernen wird dabei jedoch nicht nur die KI, sondern auch die Nutzer über sich selbst, was wiederum zu einen ständigen Lernprozess und somit einer ständigen Verhaltensänderung führt, insbesondere durch das "Teilen" von Emotionen. Ein sich ständig änderndes Nutzerverhalten resultiert dann zum einen aus mehr Selbsterkenntnis, zum anderen aber auch ganz wesentlich aus einem erweiterten Bewusstsein für den Datenschutz der Privatsphäre.
Diese Zukunftstechnologie wird zwar noch nicht als Gegenwartstechnologie empfunden, ist für große Firmen jedoch ein wesentlicher Aspekt ihrer Zukunftsplanung. Nicht ohne Grund investieren diese Firmen Millionen in diese Forschung, wenn etwa Facebook´s Forschungsabteilung "Building 8" ein "Hirn-Gadget" entwickeln will, mit dem wir unsere Gedanken direkt aus unserem Gehirn auf einen Computer oder ein Smartphone übertragen können oder wenn Elon Musk, Gründer des privaten Raumfahrt-Unternehmens "SpaceX" in seinem neuen Unternehmen "Neuralink", "Gehirn-Chips" produzieren will, die direkt in das menschliche Gehirn implantiert werden können, um eine zuverlässige Kommunikations-Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer ("BCI -Brain-Computer Interface") zu entwickeln.
Auch wenn bei diesen beiden Forschungsvorhaben die "Online-Kommunikation auf emotionaler Ebene" nicht konkret benannt wurde, ist ein Zusammenwirken von Emotionserkennung und zukünftiger Online-Kommunikation nicht mehr wegzudenken, ein Umstand, der auch der Tatsache zu verdanken ist, dass dieser Entwicklungsprozess im Alltagsleben oder "Real-Life" miterlebt werden kann, etwa wenn öffentlich über "Gesichts- und Emotionserkennung" an Supermarktkassen und den Datenschutz diskutiert wird, wobei auch die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes wieder einem Veränderungsprozess unterliegen, wenn beispielsweise in anderen Bereichen versucht wird, angeblich aus Gründen des Datenschutzes, die freie Berichterstattung im Journalismus einzuschränken.
Bei der Betrachtung der bisher genannten vier Bestandteile des "Web 4.0", der "Industrie 4.0 Web-Anteil", der Wunsch nach einer Namensangleichung an die vielen "4.0"-Begrifflichkeiten, der bewusst wahrgenommene und aktiv mitgestaltete Entwicklungsprozess und eine "Zukunftsvision" einer "Online-Kommunikation auf emotionaler Ebene", die im übrigen nicht nur in Form von Bedenken hinsichtich des Datenschutzes wahrgenommen wird, sondern auch mit vielen Hoffnungen auf auf ein besseres gegenseitiges "verstehen" und "verstanden werden" bei der sozialen, zwischenmenschlichen Kommunikation verbunden ist, wird deutlich, dass wir schon längst im Zeitalter des "Web 4.0" angekommen sind.
Natürlich gehören auch andere Technologien, wie etwa die Blockchain-Technologie, Virtual- und Augmented-Reality, die typischen "Web 2.0"- und auch "Web 3.0"-Anwendungen zum "Web 4.0". Dabei ist jedoch die Zukunftsplanung für ein neues Web und der bereits begonnene Entwicklungsprozess, einhergehend mit einer daraus resultierenden, eng verbundenen und schon seit längerem deutlich spürbaren, ständigen Verhaltensänderung, das prägende Merkmal und ein wesentlicher Bestandteil des "Web 4.0" selbst. Damit unterscheidet sich das "Web 4.0" in der Tat von seinen Vorgängerversionen, aber genau das wird ja auch von einer neuen Web-Version erwartet.
Vom Web 3.0 zur Industrie 4.0
Teil 1 - Während sich im Industriesektor der Begriff "Industrie 4.0" etablierte, konnte sich der Begriff "Web 3.0" in der Öffentlichkeit nie so richtig durchsetzen, da viele die Berichterstattung darüber als zu akademisch und komplex empfanden. ...mehr »