Kritik am Hart-Tipler-Argument
Die Antwort auf die berühmte "Fermi-Frage", warum wir noch keine Aliens entdeckt haben, lautete 1975 für den Astrophysiker Michael H. Hart: "Sie existieren nicht!". Seine These stoß in der Fachwelt zum Teil auf heftige Kritik, wurde jedoch von dem Physiker Frank J. Tipler unterstützt und von ihm 1981 um die Idee der selbstreplizierenden Raumschiffe ("Von-Neumann-Sonden") erweitert.
Hart´s Annahme, Aliens würden gar nicht existieren, daher wäre eine Suche mit Hilfe von Radioteleskopen nach außerirdischen Funksignalen wahrscheinlich nur eine Verschwendung von Geld und Zeit, war für einige Mitglieder des Bewilligungsausschusses des Senats der US-Regierung eine willkommene Unterstützung für ihren Antrag, die Finanzmittel für die SETI-Forschung mit Hilfe von Radioteleskopen, zu streichen (SETI – Search for Extraterrestrial Intelligence, Suche nach extraterrestrischer Intelligenz).
Die Betreiber des SETI-Projekts betrachteten Hart´s These daher als eine Bedrohung für ihre weitere Forschung, da ihnen ohnehin nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Einen großen Einfluss auf die Entscheidung des Bewilligungsausschusses hatte sicherlich auch die Tatsache, dass Hart´s Argumente fälschlicherweise mit dem berühmten Kernphysiker und Nobelpreisträger Enrico Fermi in Zusammenhang gebracht und unter dem Begriff "Fermi-Paradoxon" diskutiert wurden, obwohl Fermi nie behauptet hatte, außerirdische Zivilisationen würden nicht existieren.
Die Kritik der Befürworter und Betreiber des SETI-Projekts richtete sich zunächst jedoch nicht gegen die missbräuchliche Nutzung von Fermi´s Namen, sondern bezog sich auf widersprüchliche Aussagen innerhalb Hart´s Argumentation selbst.
Alien-Kolonien und Verhaltensweisen
Hart nahm an, dass technisch fortschrittliche Zivilisationen, wenn es sie denn überhaupt gäbe und wenn sie in der Lage wären, interstellare Raumfahrt zu betreiben, damit beginnen würden, nach anderen bewohnbaren Planeten zu suchen und diese zu besiedeln. Sie würden Kolonien gründen, dort auch wieder Raumschiffe bauen, von dort aus weitere bewohnbare Planeten kolonisieren und somit eine Welle der Besiedlung auslösen. Daher müssten wir eigentlich schon längst Hinweise auf Aliens entdeckt haben. Da dies jedoch nicht der Fall ist, würde alles darauf hindeuten, dass es außer der Menschheit keine andere technisch fortgeschrittene Zivilisation im Weltall gibt.
Andere Erklärungsversuche, warum wir noch keine Aliens entdeckt haben und die mit einer möglichen besonderen Verhaltensweise fremder Zivilisationen zusammenhängen, lehnte Hart allesamt als unwissenschaftlich und daher unzulässig ab, da es hierzu keine von Soziologen oder Psychologen anerkannte soziologische Theorie geben könne, denn der einzige "Beweis", wie sich Zivilisationen verhalten, stamme von uns Menschen selbst.
Wenn jedoch alle Erklärungsversuche unwissenschaftlich und somit unzulässig seien, so argumentierte Hart, dann sollten wir die Tatsache, dass wir noch keine Hinweise auf Aliens gefunden haben, auch als den einzigen, uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Beweis bezüglich ihrer Existenz anerkennen, eben dass sie gar nicht existieren.
Das gleiche Fehlverhalten, das Hart den anderen Wissenschaftlern vorwarf, ihre Erklärungsversuche würden allein auf wissenschaftlich unbewiesene Spekulationen beruhen, legten diese nun ihrerseits Hart zur Last, indem sie seine Annahme, Aliens würden überall in der Galaxie Kolonien gründen, ebenfalls als hochspekulativ und wissenschaftlich nicht zu beweisende Verhaltensweise bezeichneten. Während andere Wissenschaftler diese Möglichkeit nur als eine von vielen betrachteten, wäre diese für Hart eine unumstößliche Tatsache.
Im Jahr 1978 verfassten der bekannte US-amerikanische Astrophysiker, Science-Fiction- und Sachbuchautor Carl Sagan und der Astrophysiker William I. Newman an der Cornell University, Ithaca, New York, USA, einen Artikel als Antwort auf Hart´s These, es gäbe keine Aliens, unter dem Titel "Galactic Civilizations: Population Dynamics and Interstellar Diffusion ↗ (PDF)" ("Galaktische Zivilisationen: Bevölkerungsdynamik und interstellare Ausbreitung / Zerstreuung"), der 1981 im englischsprachigen Wissenschaftsjournal "Icarus" veröffentlicht wurde.
In diesem Artikel kritisierten Sagan und Newman, die von Hart beschriebene und ihrer Meinung nach von ihm viel zu hoch angenommene Geschwindigkeit, mit der sich Alien-Zivilisationen ausbreiten würden. Stattdessen verwendeten sie zur Berechnung der Ausdehnungsrate ein mathematisches Modell, das Populationsbiologen verwenden, wenn sie die Ausbreitung von Tierpopulationen untersuchen. Demzufolge würde es wesentlich länger dauern, bis eine sich ausbreitende Alien-Zivilisation überall in der Galaxie anzutreffen wäre, sodass es gute Gründe gäbe, weiter nach ihnen Ausschau zu halten.
Von-Neumann-Sonden
Unterstützung erhielt Hart von dem Physiker Frank J. Tipler, der 1981 Hart´s Argumentation um die Idee der selbstreplizierenden Raumschiffe erweiterte, den so genannten "Von-Neumann-Sonden". Hierbei handelt es sich um ein hypothetisches Konzept des US-amerikanischen Physikers Robert A. Freitas Jr., das eine Weltraum-Sonde beschreibt, die zum nächsten Sonnensystem gestartet wird und dort ohne Eingriff eines Menschen identische Kopien von sich selbst herstellt, die ihrerseits wiederum zu weiteren Sonnensystemen starten, dort auch wieder identische Kopien von sich selbst herstellen, usw.
Freitas veröffentlichte dieses Konzept, das auf der Idee der selbstreproduzierenden Automaten des Mathematikers John von Neumann (1903 - 1957) beruht, im Jahre 1980 in einer Studie mit dem Titel "A Self-Reproducing Interstellar Probe ↗", wobei von Neumann selbst diese Automaten nicht für die Nutzung in der Weltraumforschung vorschlug.
Wie Hart, argumentierte nun auch Frank J. Tipler, dass sich aufgrund des hohen Alters der Galaxie und der hohen Anzahl an Sternen, Alien-Zivilisationen schon längst überall ausgebreitet und wir sie schon längst entdeckt haben müssten, allerdings nicht durch ihre Kolonien, sondern durch selbstreplizierende Raumschiffe. Da wir solche Hinweise jedoch nicht gefunden haben, so schlussfolgerte Tipler ähnlich wie Hart, würden sie auch nicht existieren.
Carl Sagan und William I. Newman erwiderten daraufhin 1982 in ihrem Artikel "The Solipsist Approach to Extraterrestrial Intelligence ↗", der 1983 im britischen Wissenschaftsmagazin "Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society" erschien, dass intelligente Zivilisationen die Entwicklung solcher Sonden verhindern würden, da diese sich unkontrolliert vermehren und zu schnell alle verfügbaren Ressourcen verbrauchen würden.
Grundsätzlich sei jedoch allein die Tatsache, bzw. der "Beweis", dass wir noch keine Hinweise auf Aliens entdeckt haben, noch lange kein Beweis dafür, dass es sie nicht gibt.
Unterschriften für die SETI-Forschung
Infolge seines großen Einsatzes für die SETI-Forschung gelang es Carl Sagen dann im Jahre 1982, die Entscheidung des US-Kongresses, die staatliche Förderung für das SETI-Programm zu beenden, in letzter Minute abzuwenden.
Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, verfasste Sagan noch im selben Jahr eine internationale Petition unter dem Titel "Extraterrestrial Intelligence: An International Petition ↗" ("Außerirdische Intelligenz: Eine internationale Petition"), die er in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Science" veröffentlichte, der Fachzeitschrift der "American Association for the Advancement of Science (AAAS)" ("Amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften") und in der er bekannte Wissenschaftler aufrief, mit ihrer Unterschrift für die Fortführung und Erweiterung der SETI-Forschung mit Hilfe von Radioteleskopen zu stimmen.
Zu den 69 Unterzeichnern der Petition zählten neben ihm selbst zahlreiche international bekannte Wissenschaftler, beispielsweise der Physiker Stephen Hawking oder die Nobelpreisträger Francis Crick, Gerhard Herzberg, Linus Pauling oder der spätere Nobelpreisträger (1983) S. Chandrasekhar.
Die Versuche des US-Kongresses, das SETI-Programm vollständig zu beenden, konnten 1982 zwar noch in letzter Minute abgewendet werden, im Jahre 1991 wurde die staatlich geförderte Finanzierung des SETI-Programms dann jedoch endgültig beendet.
Einen großen Einfluss auf die Entscheidung des US-Kongresses hatte wohl auch die Tatsache, dass Hart´s und Tipler´s Argumente fälschlicherweise mit dem berühmten Kernphysiker und Nobelpreisträger Enrico Fermi in Zusammenhang gebracht und durch Ausnutzung des hohen Bekanntheitsgrades Fermi´s unter dem Begriff "Fermi-Paradoxon" diskutiert wurden.
Daher schlug der US-amerikanische Astronom Robert H. Gray im Jahre 2016 vor, anstatt des Begriffs "Fermi-Paradoxon" künftig den Begriff "Hart-Tipler Argument" zu verwenden.
Private SETI-Forschung
Die SETI-Forschung konnte aber dennoch fortgesetzt werden, da sich viele private Förderer fanden, weitere SETI-Projekte zu finanzieren, insbesondere das von Yuri Milners mit vorerst 100 Mio. USD privat geförderte Projekt "Breakthrough Listen ↗", bei dem für die Suche nach Signalen möglicherweise existierender technischer Zivilisationen im All das Radioteleskop in Green Bank, das optische Teleskop Automated Planet Finder des Lick-Observatoriums in den USA und das Parkes-Radioteleskop in Australien eingesetzt werden. Zu den zahlreichen Unterstützern des Projekts ↗ zählen unter anderen auch Stephen Hawking und Frank Drake.
Fermi-Paradoxon
Das so genannte Fermi-Paradoxon wurde nach dem Physiker Enrico Fermi benannt, der 1950 angeblich einen Widerspruch aufzeigte, demzufolge es keine Aliens geben könne, obwohl es keine Belege dafür gibt, dass Fermi jemals diese Behauptung aufgestellt hatte... ...mehr »
Michael H. Hart´s Argument: Aliens existieren nicht!
Der US-amerikanischen Astrophysiker Michael H. Hart gab im Jahre 1975 auf die berühmte Fermi-Frage, warum wir noch keine Aliens entdeckt haben, eine eindeutige Antwort - Sie existieren nicht! ...mehr »